Nach ihrem Verbot während des Zweiten Weltkriegs erstanden die 1923 gegründeten Cahiers luxembourgeois dank Tony Jungblut, Emil Marx und Raymon Mehlen 1946 wieder aus der Asche (s. Objet du mois, Oktober 2019). Im Anschluss an ein Zerwürfnis innerhalb dieses Führungstrios übernahm sodann Mehlen ab Anfang 1948 die alleinige Herausgeberschaft. Dieser Neuanfang stellte sich als komplexer heraus als erwartet. Dass sich das Unterfangen für Mehlen dennoch zu einem guten Ende wendete, hatte entscheidend mit der Numéro de Noël des Jahres 1950 zu tun.
In einem von Pol Leuck 1953 für Radio Luxemburg geführten Interview gibt Mehlen Einblicke in die holprigen Anfänge ›seiner‹ Cahiers und unterstreicht dabei nicht zuletzt die ökonomischen Aspekte. Als derjenige, der ohnehin für die Reklameseiten verantwortlich gezeichnet hatte, ging er davon aus, »an der égener Revue d’Publicite’t ze machen, könnt nemmen vu Virdél sinn« (Zitate aus einem zeitgenössischen Transkript, CNL). Entgegen dieser Erwartung seien die Werbeaufträge und Abonnentenzahlen aber »katastrophal erofgebunzelt«, und es sei ein »gewaltegen finanziellen Defizit« entstanden. Erst das Erscheinen der »e’scht Chröschtnummer, dir erennert iech secher nach un de ro’de Sammet mat dem goldenen Ecusson«, habe diesem Abwärtstrend Einhalt geboten – sie brachte nämlich »vun haut ob muer d’Cahiéen an de Mond vu jidderengem«, die Abonnentenzahlen stiegen wieder, und »[v]un haut ob muer war de Renouveau kré’ert an et huet sech […] e Stack vu festen Matarbechter gebild«.
Diese erste, überaus opulent gestaltete, über 300 Seiten starke und dem Luxemburger Druckereiwesen gewidmete Weihnachtsnummer verhalf Mehlen damit zu einer Erfahrung, die schon Nicolas Ries vor dem Krieg gemacht hatte, dass nämlich »[l]’ascension de notre revue, nous entendons parler du chiffre croissant des abonnements, date […] du moment où nous avons entrepris la publication de nos monographies illustrées« (Les Cahiers luxembourgeois, 1939, S. 687-88). Nicht umsonst berief sich Mehlen für ›seine‹ Cahiers, nachdem Jungblut und Marx ein anderes Konzept anvisiert hatten, ausdrücklich auf Ries’ Vorgehen, neben den regulären Heften regelmäßig »och de’ gro’ss Monographien« zu publizieren: »Och nöt direkt literaresch oder wössenschaftlech Interesse’ert fréen sech ob d’Chröschtnummer de’ all Joer en anere Sujet behandelt, an se domat compense’ert well se de’ aner fönnef reng literaresch, wössenschaftlech an historesch Nummere schlecke mussen.« Auf das erste folgten bis 1954 vier weitere, thematisch angelegte Weihnachtshefte, bevor alljährliche monografische Sonderhefte dieses Konzept ohne Bezug auf Weihnachten bis 1964 fortsetzten.
Wichtig war Mehlen neben dem Inhalt die reiche Materialität seiner Numéro de Noël: »Ce volume de luxe«, so die Vorankündigung, »tiré sur une vingtaine de papiers et cartons différents, se présentera sous couverture de velours rouge, rehaussée d’un écusson en or repoussé«. Er sei »appelé à être un cadeau de Noël que le soussigné fait à tous ses amis, c’est à dire aux amis des ›Cahiers‹«. Inhaltlich kommt Weihnachten darin allerdings nicht vor. Dass der leuchtend rote Samtumschlag mit Bedacht gewählt wurde, darf aber wohl vermutet werden, ist doch seit dem roten Bischofsmantel des antiken Nikolaus von Myra, des späteren heiligen Nikolaus, und seinem ›Nachfahren‹, dem ab 1931 in der Coca-Cola-Werbung in samtig-rotem Mantel auftretenden Santa Claus, dieses Rot eine charakteristische Weihnachtsfarbe. Mit Sicherheit kann, bedenkt man die Bedeutung des Heftes für das Überleben von Mehlens Cahiers, aber behauptet werden, dass sich dieses im Rückblick nicht nur als nachhaltige Weihnachtsbescherung für Freunde und Bibliophile, sondern letztlich auch für den Verleger selbst entpuppen sollte.
Pierre Marson