Objet du mois, avril 2025

Echternacher Glossen.

Ein Blick in Robert Bruchs Zettelkasten

Manuskripte sind Zeugen der Entstehung eines Werkes. Das gleiche gilt für eine andere Art von Hilfsmitteln, die im Informationszeitalter fast in Vergessenheit geraten sind: die Zettelkästen. Alphabetisch oder nach Stichworten geordnet, erfordert ein solcher Kasten viel Sorgfalt, um nutzbringend verwendet werden zu können. Im Bestand des Luxemburger Linguisten Robert Bruch befinden sich neben Briefen und sprachwissenschaftlichen Artikeln auch drei aus Holz gefertigte Zettelkästen mit mehreren hundert handgeschriebenen Karten. Der Titel im vorderen Schiebefach verrät, dass dies die Vorarbeiten zu den Echternacher Glossen sind.

 

Robert Bruch und sein Werk Glossarium Epternacense sind heute nur noch Philologen ein Begriff. In den Dreißigerjahren begann Bruch ein Literatur- und Übersetzerstudium in Deutschland. Bis auf einige Gedichte über seine Zeit als Zwangsrekrutierter und die Übersetzung eines lateinischen Gedichts, das posthum unter dem Titel Dem Decimus Magnus Ausonius seng Rees op d’Musel erschien, verschrieb sich Bruch nach dem Krieg vor allem der Erforschung der Luxemburger Sprache.

 

Seine Ausbildung sowohl an der Sorbonne als auch in Marburg ermöglichte es ihm, die sprachliche Sonderstellung des Luxemburgischen innerhalb der Westgermanischen Sprachen präzise herauszuarbeiten. Er sah seine Aufgabe „nicht [in] Abkapselung noch Einigelung, sondern Eröffnung und Einbau in die zwei Welten, denen er seine Kultur verdankt“ (Grundlegung einer Geschichte des Luxemburgischen, S. 201). Genaue Erkenntnisse erhielt er durch unzählige Befragungen von Muttersprachlern, wobei er sich die beste Technik seiner Zeit zu Nutze machte: Er schaltete ein Aufnahmeband an den Telefonapparat, so dass er die Aussprache immer wieder abrufen und vergleichen konnte. Die auf diese Weise erstellten Isoglossen bildeten die Grundlage für den Luxemburgischen Sprachatlas von 1963.

 

Vor seinem Tod arbeitete Bruch vier Jahre lang an einer sprachwissenschaftlichen Analyse der mittelalterlichen Handschriften aus Echternach, mit der er an der Universität Bonn, wo ihm ein Lehrstuhl in Aussicht gestellt wurde, habilitieren wollte. Das Glossarium Epternacense enthält etwa 500 Grundformen und legt die Basis für die Erforschung der Entwicklung der mittelalterlichen Mundart Luxemburgs zur heutigen Hochsprache. In einem Brief vom 19.12.1958 freut sich Karl Kurt Klein, Spezialist für das Siebenbürgische, dass Bruch seine Echternacher Glossen so gut wie abgeschlossen habe (L-181; II.1-03).

 

Doch nur wenige Monate später kam Bruch bei einem Autounfall tragisch ums Leben. Zu diesem Zeitpunkt lag der erste Teil der Arbeit, Tatsachen und Quellen, vollständig vor. Der zweite Teil, Wörter und Namen, war zur Hälfte fertig und wurde von H. J. Bayer anhand von Bruchs Zettelkasten fertiggestellt. Robert Bruch hinterließ zudem ein Vorläufiges Vorwort für das Buch. Hierhin schreibt er: „Der zweite, zentrale Teil, das eigentliche Glossar, ist nur zu einem Sechstel reingeschrieben. Allerdings offenbart sich [daraus, was] der dritte Teil Formen und Laute zu umreißen haben wird: das Echternacher Klosterskriptorium hatte teil an einer westfränkischen Schreibsprache, die […] starke regionale mundartliche Einsprengsel aufweist.“ Doch dieser dritte Teil wurde nie geschrieben. Robert Bruch wurde nur 39 Jahre alt, seine Zettelkästen zeugen von der Energie, mit der der Linguist noch viele wissenschaftliche Herausforderungen in Angriff hatte nehmen wollen.

Sandra Schmit

 

Illustration:

Zettelkasten von Robert Bruch. Länge: 34 cm, Breite: 15 cm, Höhe: 12 cm. L-181; I.11-8.

 

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