Objet du mois, septembre 2023

Das ›Kismet‹ des Pfarrers Guillaume Schumacher

Korrespondenz und Vorarbeiten zu einer Festbroschüre 1956
Material zur Fête Nationale du Travail et de la Terre, Mersch, 1956.
Material zur Fête Nationale du Travail et de la Terre, Mersch, 1956.
©CNL, Bestand Guillaume Schumacher, L-260; II / III.

Manche Nachlässe umfassen Dutzende von Archivkästen, andere hingegen nur einen einzigen. Letzteres gilt für die schriftlichen Hinterlassenschaften des weitgehend vergessenen Öslinger Pfarrers, Lokalhistorikers und Dichters Guillaume Schumacher (1894-1968). Dieser besuchte eine Klosterschule in Belgien, wo er unter anderem Altgriechisch und Hebräisch studierte. Sein späterer Studienkollege im Priesterseminar, Frédéric Rasqué, erinnert sich im Nachruf an den Freund, dass Schumacher das Neue Testament bevorzugt im Original las und sich stets autodidaktisch weiterbildete (LWort, 08.05.1968). Vor seinem Eintritt ins Priesterseminar gab er 1919 bis 1926 Kurse in Stenografie und Maschinenschreiben am Mädchengymnasium in Esch-Alzette. Seine Kenntnisse in Kurzschrift nutzte er, um Notizen, die nicht für jedermann lesbar sein sollten, niederzuschreiben. Eine solche Anmerkung findet sich z. B. auf einem Brief, den er am 2. Juli 1956 von Jean Malget erhielt (siehe Abb.).

 

Dieses Schreiben ist Teil der umfangreichen Vorbereitungen zur Festbroschüre der Fête Nationale du Travail et de la Terre in Mersch, die im Nachlass des Dichters erhalten blieben. Neben den Texten umfasst das Konvolut auch die Korrespondenz von Juli bis September 1956 zwischen Schumacher und den Mitwirkenden des Festzuges sowie Verantwortlichen von Kirche und Staat, und Listen der geladenen Gäste, Inserenten und Empfänger der Festschrift. Die Dokumente zeigen, dass Dekanatspfarrer Schumacher ein treibendes Mitglied des Organisationskomitees war. Seine Aufgabe war es, die notwendigen Genehmigungen einzuholen, Persönlichkeiten aus Kirche, Wirtschaft und Politik für eine Mitgliedschaft im Ehrenkomitee zu gewinnen und neue lokalhistorische Arbeiten zum Dekanat Mersch zusammenzutragen. In seinem letzten Brief vom 06.09.1956 entschuldigt er sich für die vielen schriftlichen Aufforderungen mit dem Satz: »Es ist halt mein Kismet«. Zu dem genannten Fest sprach Schumacher in bodenständiger und heiterer Art und Weise auch den Kommentar zu den Festwagen, die am 09.09.1956 durch die Straßen von Mersch zogen, und erntete so die Anerkennung und Aufmerksamkeit der Zuschauer. Sogar der damalige Bischof-Koadjutor Léon Lommel hob Schumachers Verdienst am Gelingen dieses Festes hervor (LWort 12.09.1956).

 

Schumacher betätigte sich auch selbst gerne als Schriftsteller. Zur Festbroschüre steuerte er unter anderem die Texte Meysemburg wird selbständige Pfarrei und Nommern-Muttergottesland sowie das Gedicht Hérest bei. Im Bestand CNL L-260 befinden sich aber auch über 70 Gedichte des Autors, teilweise mit handschriftlichen Korrekturen (Durchschlag). Sie sind in luxemburgischer Sprache, wobei sich auch Wörter im Öslinger Dialekt wiederfinden, wie z. B. das Wort nik für nicht. Zentralthemen seiner Texte sind Glaube und Heimat und gerne inspirierte sich der Schreiber an den Psalmen des Alten Testaments. Da Schumacher für seine Bassstimme bekannt war, ist es nicht verwunderlich, dass auch der Gesang sich in seinen Gedichten, wie z. B. in Stëmt èr Lidder oder Engt Lidd ass bei mir agestan, widerspiegelt. Die Gedichte erschienen vorwiegend im DʼLetzebuerger Dueref, einer Zeitschrift der Jungbauern und Jungwinzer.

 

Das Schreiben in all seinen Facetten war eine Leidenschaft, die Schumacher gerne eingestand. In seinem letzten erhaltenen Brief vom 06.09.1956 zitiert er seinen Freund Delvaux von Amonine, der ihn gerne mit den Worten charakterisierte: »Den Pfarrer von Nommern kennzeichnen zwei Dinge: sa plume et sa pipe«.

 

Jeannette Cannivy

Dernière mise à jour