Nachdem der alte Schlachthof in Esch/Alzette im Jahr 1979 stillgelegt worden war, entdeckte Ed Maroldt das leerstehende Gebäude als Aufführungsort für das Theater. Als er dort Ende 1981 mit dem Ensemble des Kasemattentheaters das Stück Konzert zum heiligen Ovid auf die Bühne brachte, konnte er aber, wie René Clesse 1991 in der Zeitschrift Bordangs Louis schrieb, wohl »nicht ahnen, welchen Stein er da ins Rollen bringen würde«. In der Tat: Von Maroldts Aktion inspiriert, übernahm die 1980 gegründete Theater G.m.b.H. im Jahr 1982 den Ort für Aufführungen von Nico Helminger und Guy Rewenig und machte damit den Anfang zu dessen Umfunktionierung zur Kulturfabrik, die heute eine überregional bedeutsame Kulturinstitution ist.
Die Transformation eines ehemaligen Industriegeländes in einen Ort der künstlerischen Kreativität verlief zunächst allerdings alles andere als reibungslos. Die Gemeinde Esch hatte das alte Gemäuer nämlich nur befristet zur Verfügung gestellt, bis sich ein Käufer oder Mieter finden würde. Die Theater G.m.b.H. und die kulturellen Akteure, die sich im Lauf der Zeit zu ihr gesellten und die gemeinsam unter dem Sammelnamen »Kulturfabrik« firmierten, hatten daher ein paar Proben zu bestehen, bevor die kulturelle Nutzung der Räumlichkeiten gewährleistet war.
Das erste Hindernis stellte sich ihnen in den Weg, als die Gemeinde den Schlachthof im März 1983 zur Versteigerung aussetzte. Da sich aber kein Interessent fand, stellte der Schöffenrat den jungen Leuten den Schlachthof weiterhin zur Verfügung … bis im September desselben Jahres eine Benzinfirma Interesse an der Einrichtung einer Tankstelle auf dem Areal bekundete.
Diesmal reagierte man mit Protestaktionen. Eine Straßensperre wurde errichtet und eine Unterschriftenaktion unter dem Motto »D’Schluechthaus fir d’Kulturfabrik!!! D’Schluechthaus därf keng Tankstell gin!!!« gestartet. Der Escher Schöffenrat setzte eine Kommission ein, um über die zukünftige Verwendung des Schlachthofes zu befinden. Nachdem überdies im Dezember 1983 das Escher Theater im Anschluss an die Aufführung einer Operette von Mitgliedern und Sympathisanten der Kulturfabrik friedlich besetzt worden war, bot die Gemeinde der im September 1983 gegründeten Kulturfabrik a.s.b.l. Anfang 1984 schließlich eine Konvention an. Der dauerhaften Umwandlung des Ale Schluechthaus in eine »Kulturfabrik« stand nun nichts mehr im Wege.
Nebenstehend ist eine Seite der Petitioun vun den Escher un hir Gemeng gegen das erwähnte Tankstellenprojekt zu sehen. Es stammt aus dem Bestand des Schauspielers, Regisseurs, Produzenten, Pädagogen und späteren Politikers Christian Kmiotek, dessen Dokumente aus seiner Theater- und Filmkarriere 2011 ins CNL gelangten, nachdem sie sich seit 2009 vorübergehend im Besitz der Theater Federatioun befunden hatten. Das Papier gibt einen Eindruck von der Unterstützung des Kulturfabrikprojekts durch Akteure des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens, die somit zu dessen Erfolg beigetragen haben. Daneben enthält der Bestand Christian Kmiotek aber auch eine Reihe von maschinenschriftlichen Texten aus jener Zeit, in denen sich Kmiotek, langjähriger Leiter der Theater G.m.b.H. und einer der Protagonisten der geschilderten Ereignisse, mit der – wie es in einem Dokument heißt – »Chronik der Kämpfe« und mit der damaligen Kulturpolitik auseinandersetzt.