Es ist stiller geworden im CNL. Archiv-, Forschungs- und Publikationsarbeit laufen zwar intensiv weiter, aber die Gäste, denen man zu den Abendveranstaltungen in der Salle Tony Bourg auf der alten Holztreppe begegnet und mit denen man oft bis spät in die Nacht im Café littéraire diskutieren darf, bleiben aus, seitdem die gemütliche Enge des 18. Jahrhunderts keine größeren Ereignisse mehr zulässt. Umso mehr freut sich das Haus über die vielen Lebenszeichen und Wünsche, die den Anfang des neuen Jahres traditionell begleiten.
Das aus Pappelsperrholz gefertigte Puzzle, das das CNL in den ersten Tagen des neuen Jahres mit den dazugehörigen guten Wünschen erreicht hat, muss nun in der Vitrine noch ein wenig darauf warten, dass man es zusammenfügt. Allerlei Tiere und Monster tummeln sich darauf. »Anti-covid-creatures« nennt das Team vom Julie Conrad Design Studio die kleinen Wesen, die sich um ein ängstlich blickendes Coronavirus zu einer festen Kette zusammenschließen und dabei so unschuldig und zufrieden blicken, als hätten sie die Pandemie schon besiegt.
Puzzeln entspannt und beruhigt die Nerven. Lesen auch. Und Sammeln. Auch das Puzzle wird Teil des Archivs des CNL werden, in dem nicht nur Bücher und Manuskripte, sondern vielerlei kleine und große Objekte aufbewahrt werden. Auch Kunst gehört dazu, und Design. Nicht weit von der Vitrine, in der jeden Monat ein anderer Gegenstand vorgestellt und von den Besuchern entdeckt werden kann, ein »objet du mois«, steht ein weiteres Objekt aus dem Studio der kleinen »Anti-covid-creatures«: eine Sitzbank in Form eines Buches, die Blätter weich gepolstert. Vor Kurzem konnte man (und kann es immer noch, auch das ein Zeichen der Zeit) Tom Weber, dem Preisträger des Concours littéraire national in der Kategorie »Jeunes auteurs«, per Video auf ebendieser Bank bei der Lektüre aus seinem Gedichtzyklus zuhören:
in die kurve des nachthimmels hinein
flüstere ich einen wunsch
einen wunsch dass im morgentau
sich mir die welt erklärt
dass der himmel doch endlich
in sich zusammenbricht
ein wunsch nach dekonstruktion
weil ich endlich wieder bauen will […]
Eine Perspektive auf Erneuerung und Neuanfang, auf neuzusammengesetzte (Puzzle)stücke, die uns im still gewordenen Haus hoffnungsfroh macht.
Nathalie Jacoby