Objet du mois, janvier 2021

Von Teruel ins Merschertal

Das Theaterstück »Dohém« von Adolf Weis

Könnte dieses bescheidene, aus der Feder eines nahezu vergessenen Autors stammende Bändchen etwas mit Picassos Guernica (1937) oder Hemingways For Whom the Bell Tolls (1940) gemeinsam haben? Zumindest in entstehungsgeschichtlicher Hinsicht lautet die Antwort: ja. Wie anderenorts wird der Spanische Bürgerkrieg (1936-1939) auch im Großherzogtum intensiv rezipiert sowie literarisch und künstlerisch verarbeitet – etwa in Pierre Grégoires Romantrilogie Europäische Suite (1951-1952), Edmond Dunes Drama Le puits de Fuentès (1973) oder dem malerischen Werk Théo Kergs. Mit Dohém. E klengt Spill aus schwe’rer Zeit (1939) legt Weis, wenngleich aus streng nationaler Standortgebundenheit heraus, die bei aktueller Kenntnis erste fiktionale Umsetzung dieses Konfliktes innerhalb der Luxemburger Literatur vor.

Im Mittelpunkt des kurzen, lediglich 14 kleinformatige Seiten umfassenden Theaterstücks steht der Lebensweg Tunns, der mit der Begründung, »fir d’Freihét« kämpfen zu wollen, als Freiwilliger nach Spanien aufgebrochen ist und nun unerkannt in sein Heimatdorf zurückkehrt. Durch die Zeichnung seiner Figur als heldenmutiger und demokratisch engagierter Mann scheint der Verfasser zunächst Stellung gegen die damals geltenden politischen Vorgaben zu nehmen, die, in Übereinstimmung mit der von London initiierten Politik der Nichteinmischung, die Teilnahme von Luxemburgern an der Auseinandersetzung unterbinden sollen. Zentral in diesem Kontext ist vor allem das (nominell bis 2003 bestehende) Gesetz vom 10. April 1937 »zur Verhinderung der Teilnahme von Fremden am spanischen Bürgerkrieg«, das den Freiwilligen Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten in Aussicht stellt. Bei genauerem Hinsehen wird aber die offizielle Haltung dadurch zementiert, dass Tunn als enttäuschtes Opfer falscher Versprechungen und verratener Ideale im Hinblick auf die Authentizität des Freiheitskampfes in Spanien auftritt bzw. seine Verpflichtung in den Reihen der Internationalen Brigaden bereut: »Ligen alles, Ligen an Nidderträchtegkét! An eng schändlech Märderei! […] Do ass d’Freihét verspott gin, we’ wuel nach nie.« Auch lassen jene Passagen, in denen der Protagonist von der republikanischen Kirchenverfolgung berichtet, eine weitgehende Konformität mit rechtskonservativen Medienorganen erkennen, z. B. dem mit den Aufständischen um Francisco Franco sympathisierenden Luxemburger Wort.     

   

Von überragender Bedeutung für die Handlungslogik des Stückes ist Tunns Heimkehr gerade am Vorabend der Feier zum hundertjährigen Bestehen der Luxemburger Unabhängigkeit (1939). Während der ausgehenden 1930er Jahre und besonders im Vorfeld der Feierlichkeiten bemüht sich die Luxemburger Literatur in augenfälliger Weise, deviante Individuen (ehemalige Kriminelle, alte Parteigänger des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg, Rückwanderer aus der Übersee usw.) symbolisch in die nationale Gemeinschaft zurückzuführen und angesichts der Bedrohung durch Hitler-Deutschland für die bevorstehende »geistige Landesverteidigung« (Jean Pétin) verfügbar zu machen. In diesem Sinne bilden Tunns Erfahrungen an der spanischen Front lediglich die Prämisse für sein uneingeschränktes Bekenntnis zum Land der ›richtigen Freiheit‹: »O Letzeburg, du glecklechst Land, ech hun dech ere’scht erkannt dobaussen an der wœller Friémd.« Wie bereits die Titelgebung signalisiert, nimmt Dohém die Ereignisse in der »Fremde« zum Anlass, die (prekäre) Situation Luxemburgs vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu verhandeln.   

Dohém von Adolf Weis mit einer handschriftlichen Widmung des Verfassers an seinen Schriftstellerkollegen Max Goergen vom 29. März 1939.

CNL, Bestand Max Goergen, L-2; IV.3-12.

 

Links im Bild: Joseph Ulmerich (genannt ›de Spuenier‹), einer der rund hundert Luxemburger Freiwilligen in den Reihen der Internationalen Brigaden. Orihuela, 1938.

Fotograf unbekannt. Sammlung Laure Caregari.

 

Weiterführende Literatur: Carlos Collado Seidel: Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen Konflikts. 3. Aufl. München: Beck 2016.          

 

Daniela Lieb

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