Objet du mois

Eine Hochzeitszeitung im Nachkriegsluxemburg

Das Verfassen von Texten bietet literarisch interessierten Menschen gerade auch in Krisenzeiten die Möglichkeit, ihre Gedanken künstlerisch zu verarbeiten und aus der harschen Realität in eine dichterisch verklärte Wirklichkeit zu entfliehen. So entstanden während des Zweiten Weltkrieges einfühlsame Gedichte von Luxemburgern sowohl an der Front (etwa Josy Noesens Marienlied Léiffra) und in Kriegsgefangenschaft (z.B. Pierre Bauschs Werke in Tambow, 1946) als auch in der Umsiedlung (vgl. Victor Molitors Band Glanz im Gewitter, 1946) und sogar im KZ (etwa Yvonne Useldingers Verse aus Ravensbrück).

 

Aber auch die Erleichterung, den Krieg überstanden zu haben, äußerte sich des Öfteren in gefühlvollen Gedichten, wie Lucien Medernachs Auf den ersten Blick zeigt, das er einer schönen Unbekannten widmet, die den schwer verwundeten Soldaten im Lazarett freundlich anlächelt. Das hier gezeigte Exponat aus dem Nachlass des Eisenbahners Norbert Stein ist ein weiteres Beispiel lebensbejahender Gelegenheitsdichtung.

 

1924 geboren, wurde der junge Mann während des Krieges in die Wehrmacht zwangsrekrutiert. Neben einer Reihe Fotoalben und offiziellen Dokumenten aus dieser Zeit liegt im Nachlass auch ein vergilbter, mit Blumenzeichnungen und feinen Linien unterteilter Papierbogen. Der Titel weist das Schriftstück als Hochzeitszeitung aus, eine Gattung von Gelegenheitsliteratur, die sich bereits im 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute und heute durch den Digitaldruck einen neuen Aufschwung erfährt.

 

Am 20. Oktober 1945, nur wenige Monate nach der Kapitulation Hitlerdeutschlands und zur Zeit, als die meisten jungen Zwangsrekrutierten aus russischer und britischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrten, feierten Norbert Stein aus Biwingen und Louise Ditienne aus Rümelingen in dem Heimatort der Braut Hochzeit. Bereits das Impressum verrät den ausgelassen-fröhlichen Grundton des vierseitigen, handgeschriebenen Blattes, das von den Freunden des Paares zusammengestellt wurde. Der Preis der Zeitung betrug »für jede Dame einschließlich der Braut ein[en] Kuss für den Redakteur. Mütter mit mehr als 10 Töchtern erhalten 2 Exemplare gratis.«

 

Auf Seite 2 findet sich unter anderem ein neckischer Nachruf der »unverehelichten Freundinnen« auf die junge Louise, die aus ihrem »Kreise schied [...] zu einem besseren ehelichen Leben.« Unter den Lokalnachrichten wird von einem Unfall berichtet, bei dem ein junger Mann durch eigenes Verschulden »unter einen schweren Pantoffel« geriet. Auf der dritten Seite erhalten die Frischvermählten dann im Gedicht Regeln für das Eheleben gute Ratschläge für eine glückliche Partnerschaft. Die Schlussstrophe lautet:

 

»Jagt man aus des Hauses Grenzen / Alle kleinen Differenzen,

Kommen Streitigkeiten nie / Und dann lebt stets er und sie

Wie im Paradiese.«

 

Unter den Annoncen auf der Rückseite der Zeitung gibt ein »Kinderbettchen-Fabrikant« bekannt, dass seine Firma »bei Abnahme von 8 Wiegen die neunte gratis liefere.« In diesem Sinne verspricht die Buchdruckerei der Hochzeitszeitung denn auch eine schnelle Lieferung von Geburtsanzeigen und »bedeutende Rabatte« bei Zwillings- und Drillingsgeburten.

 

Sandra Schmit

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