Das hier gezeigte Fotoporträt des Schauspielers und Regisseurs Marc Olinger (1946-2015) wurde vom Luxemburger Fotographen Tony Krier gemacht und ist Teil des CNL-Nachlasses von Marc Olinger. Das Bild zeigt den Schauspieler in der Rolle des Kaplans Jacques Schonkert aus Fernand Hoffmanns Stück D’Kiirch am Duerf, das am 27. November 1970 von der Truppe der Compagnons de la scène – Lëtzebuerger Theater unter der Leitung von Ugèn Heinen ein erstes Mal auf der großen Bühne des hauptstädtischen Theaterhauses am Rond-Point Schumann aufgeführt wurde.
Als Teil der Truppe des Lëtzebuerger Theater trat Marc Olinger in D’Kiirch am Duerf neben den Schauspielern Ugèn Heinen, der die Hauptrolle des Priesters Hännes Bockholz verkörperte, Fernande Schmit als Köchin Josephine, Marcel Alliaume als Fras, Edith Schmit als Sonja und Jempy Seil / Gérard Heinen als Néckel auf. Das Fotoporträt des lächelnden Kaplans verweist auf einen zu Beginn der 1970er Jahre in eine offene Auseinandersetzung mündenden Zwist zwischen konservativen und systemkritischen Gruppierungen im und um den Luxemburger Theaterbetrieb. Dieser Zwist kulminierte bei der Premiere von Fernand Hoffmanns Stück in einen handfesten Skandal, der den Weg in die Annalen der Theatergeschichte gefunden hat.
Bei der Premiere waren eine Reihe von Studenten zugegen, unter ihnen Guy Rewenig, Guy Wagener und Mars Klein, mit dem Ziel, Flugblätter zu verteilen und die Vorstellung durch Zwischenrufe und eine entsprechende Geräuschkulisse zu stören; Pol Greisch spricht von Löffeln, mit denen gegen einen Metall-Balkon geschlagen wurde, und Guy Wagner berichtet sogar von Lachsäcken (cf. Interview mit Fabienne Gilbertz in Wortproduzenten, 2019). Fernand Hoffmann ging jeder Diskussion aus dem Weg, rief stattdessen während der Pause die Polizei und nahm es am Ende des Stücks frontal und lautstark mit den Protestlern auf. Als Mars Klein, der Initiator der Aktion, vor der anrückenden Polizei zu entwischen suchte, schrie Hoffmann Zeitzeugenberichten zufolge außer sich vor Wut »Haalt en un a schlot e vreckt!«.
Mit dieser Aktion monierten die aufbegehrenden Studenten, einerseits, den konservativen Inhalt und die reaktionäre Grundtendenz von Hoffmanns Theater und forderten, andererseits, ein Ende der »dictature culturelle et [du] monopole financier des Hoffmann et Heinen« (M.: »Fernand Hoffmann et la contestation ordinaire« in d’Lëtzebuerger Land, 04.12.1970). Auch ging es um das jahrelange monopolistische und diktatorische Auftreten des Theatermanns Heinen und seines Hausautors. Ersterer hat während Jahren jede alternative und modernisierende Theateraktivität außerhalb seines Ensembles konsequent zu unterdrücken gesucht und die Inhalte maßgeblich im Sinne des konservativen und traditionellen Theaters beeinflusst. In einem Interview mit Fabienne Gilbertz für ihre Dissertation Wortproduzenten bezeichnet Mars Klein jenen protestgeladenen Theaterabend im November 1970 als »Initialzündung, warum das ganze Theater auseinandergeflogen ist«. In der Tat löste sich 1973 unter anderem Marc Olinger von Heinen und begründete im selben Jahr das Théâtre Ouvert Luxembourg (TOL) mit. In diesem Sinn entbehrt das hier gezeigte Porträt des ein wenig schelmisch lächelnden Kaplans nicht einer gewissen Ironie.
Pascal Seil, CNL
Bild in der Vitrine: Porträt von Marc Olinger, alias Kaplan Jacques Schonkert, ungerahmtes schwarz-weiß Foto. Länge: 29 cm. Breite: 22,5 cm. Foto: Tony Krier, Copyright Photothèque VdL.