Objet du mois

Tony Jungblut, Raymon Mehlen, Emil Marx und die Wiederbelebung der Cahiers luxembourgeois nach dem Zweiten Weltkrieg

Als die 1923 gegründeten Cahiers luxembourgeois 1940 von den Nazis verboten wurden und 1941 auch noch ihr langjähriger Leiter Nicolas Ries starb, hätten wohl nicht viele auf eine baldige Wiedergeburt der Kulturzeitschrift gewettet. Dass es genau dazu nur wenige Jahre später kam, ist das Verdienst der drei Personen, die den vorliegenden, auf den 30. Oktober 1945 datierten Arbeitsvertrag unterschrieben haben: die beiden Intellektuellen Tony Jungblut (1913-1975) und Emil Marx (1899-1964) sowie der Grafiker Raymon Mehlen (1914-1983). Der Vertrag stammt aus Mehlens nachgelassenen Papieren, die 2016-17 als Teil des Nachlasses von Nic Weber in das CNL gelangten und dort den Bestand an Mehlen-Materialien ergänzten, den Weber dem Haus schon 2004 geschenkt hatte. Das Dokument gewährt einen Einblick in eine bewegte Phase der Cahiers, die in einer neuen Zeit auch ihr Programm neu verhandeln mussten.

 

Die berufliche Zusammenarbeit der drei Unterzeichner reicht in die 1930er Jahre zurück: Damals gehörten Jungblut und Mehlen zu den Mitarbeitern der von Marx zeitweilig redaktionell betreuten Zeitschrift A-Z, und in Jungbluts Verlag Luxemburger Nachrichten-Büro war Mehlen für die Grafik- und Werbeabteilung zuständig. Diese Vorkriegskonstellationen finden sich im vorliegenden Vertrag wieder. Wie damals sind Jungblut und Mehlen – laut Punkt a) des Vertrags Ko-Verleger – auch hier Geschäftspartner, wobei Jungblut „la partie commerciale et financière de l‘entreprise“ und Mehlen „la partie technique“ übernahm, wie ein Partnerschaftsvertrag stipuliert. Emil Marx seinerseits war wiederum redaktionell tätig (vgl. Absatz I).  

 

Wenn im Vertrag von „Les Nouveaux Cahiers Luxembourgeois“ die Rede ist – eine Bezeichnung, die in der Publikation selbst nirgends auftaucht – so ist damit nicht nur die neue Folge, sondern offensichtlich auch das erneuerte Konzept der Zeitschrift gemeint. Der Wille zur Innovation, bei aller Loyalität zur ehrwürdigen Tradition der Vorkriegs-Cahiers, geht aus einem Interview von Emil Marx in seiner Eigenschaft als „Leiter der Nouveaux Cahiers“ mit der Obermosel-Zeitung (31.1.1946) hervor: Laut Marx haben sich die Cahiers zunehmend „vom Leben entfernt“ und sind „in die Vergangenheit […] und in die Gelehrsamkeit“ „geflüchtet“. Eine „literarische und wissenschaftliche Monatsschrift“ müsse aber auch „aktuell sein […], um einen größeren Leserkreis zu erreichen, als die alten es vermochten“. Dieser Ansicht war augenscheinlich auch Tony Jungblut, dem „un mensuel toujours plus vivant, plus actuel et plus original“ vorschwebte (CL, Nr. 13, 1947). Die erhöhte Erscheinungsfrequenz der „N. C. L.“, die nicht mehr, wie bisher, achtmal pro Jahr, sondern im Monatsrhythmus erschienen, war selbst schon ein Resultat dieser modernisierten Formel.

 

Die inhaltliche Neuausrichtung der Publikation zu einer „an aktuellen Fragestellungen“ interessierten „Zeit- und Streitschrift“ (Henri Wehenkel) geht in großen Teilen wohl auf Emil Marx zurück. Auf dessen nicht immer hinreichend bekannte Rolle lenkt auch sein Arbeitsvertrag den Blick, in dem es in Absatz III über die jeweiligen Zuständigkeiten heißt: „Gesamthaltung und Richtung der N.C.L. werden von den Verlegern im Einverständnis mit Herrn Marx festgelegt. Innerhalb seiner eigentlichen redaktionellen Tätigkeit ist Herr Marx für den Inhalt der N.C.L. allein zuständig und verantwortlich.“

 

Die mit dem Vertrag hoffnungsvoll begonnene Zusammenarbeit von drei markanten Persönlichkeiten des kulturellen Lebens sollte allerdings nicht lange währen. Nicht zuletzt aufgrund von internen Konflikten legten die Nachkriegs-Cahiers einen holprigen Start hin und lehnten sich, nachdem sie 1948, nach nur zwei Jahren, von Mehlen in alleiniger Regie übernommen und bis 1965 herausgegeben wurden, auch wieder stärker an Nicolas Ries‘ Formel an. Doch das ist eine andere Geschichte.                                                                                                                                                             

Pierre Marson

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