Objet du mois

Marguerite Mongenast-Servais

Eine hochachtbare, hochgebildete und äußerst charakterstarke Dame

Die beiden Fotos des Luxemburger Hoffotografen Charles Bernhoeft sind bei einer Hochzeitsfeier entstanden. Das erste Bild zeigt das Brautpaar vor dem Traualtar, das zweite kurz nach dem Verlassen der Kirche. Das aufwendige weiße Brautkleid mit Schleier deutet auf ein besser situiertes Milieu, denn weiße Hochzeitskleider sind am Anfang des 20. Jahrhunderts in der Regel ein Erkennungsmerkmal einer höheren gesellschaftlichen Position. Die Brautleute sind Paul Mongenast und Marguerite Servais. Die Hochzeit fand am 18. September 1902 in Bollendorf (Deutschland) statt, denn Marguerite Servais stammte aus dem auf der deutschen Seite der Sauer gelegenen Schloss Weilerbach, wo ihr Vater Emil Servais, der Sohn von Staatsminister Emmanuel Servais, eine Eisenhütte betrieb. Nach dem Studium in Sainte Sophie, war sie nach Paris an die Schule Notre-Dame de Sion gewechselt, wo sie die typische Ausbildung für Mädchen aus besseren Kreisen erhielt: Französisch, Konversation, Musik, Handarbeiten und Benimm. Paul Mongenast stammte aus Ettelbrück. Nach dem Studium an der École des Mines in Lüttich, arbeitete er zunächst bei der Prinz-Heinrich-Eisenbahn und wurde 1907 Direktor der Hollericher Schmelz. Die Hochzeit muss ziemlich spektakulär gewesen sein, denn der Echternacher Anzeiger vom 21. September 1902 schreibt, in Bollendorf habe man noch nie eine solch großartige Hochzeitsfeier gesehen und Emil Servais habe zum Andenken an den schönen Tag […] all seine Arbeiter mit einer Extra-Geldspende bedacht.

Das Paar Mongenast-Servais ließ sich in der Stadt Luxemburg nieder. Sie hatten zwei Kinder, Maurice und Sylla. Die Weichen waren demnach gestellt für ein traditionelles bourgeoises Leben in Wohlstand und in gegebenem gesellschaftlichem Rahmen. Dem aber entzog sich Meisy Mongenast durch ein bedingungsloses politisches und kulturelles Engagement als Feministin, Pazifistin, Sozialistin, Republikanerin, Pfadfinderin und Schriftstellerin. Freiheit, Autonomie und Selbstbestimmung waren die Werte, denen sie sich verpflichtet fühlte. So übernahm sie Führungspositionen in der Libre pensée, dem Feuerbestattungsverein, den Volksbildungsvereinen, der Action républicaine und den Guides de Luxembourg, der späteren AGGL. Von Oktober 1918 bis Januar 1921 war sie zudem Sekretärin der sozialistischen Partei.

Wesentlich für Marguerite Mongenast war ihr politisches Wirken. Sie war nicht bereit zu akzeptieren, dass sie als Frau vom politischen Leben ausgeschlossen war. Zwei Probleme lagen ihr besonders am Herzen: zum einen die Einführung der Republik und die Abschaffung der Monarchie, zum anderen das Frauenwahlrecht. Ihr Wunsch war es, Luxemburg eine neue Staatsform nach dem Vorbild der Französischen Republik mit Trennung von Kirche und Staat zu geben. Zugunsten des Frauenstimmrechts lancierte sie gemeinsam mit anderen Frauen eine Petition an die Abgeordnetenkammer.

Literarisch war Marguerite Mongenast zwei, sich eigentlich ausschließenden Schulen verpflichtet. Sie war sowohl Mitglied der Avantgarde Bewegung Clarté, in der sich Frantz Clément, Joseph Colbach, Nicolas Konert, Pol Michels und Gust van Werveke betätigten, als auch der Nationalunio‘n von Lucien Koenig. Von Clarté erhoffte sich Meisy Mongenast eine Plattform, die ihren intellektuellen Ansprüchen genügte und es ihr erlaubte, politische Missstände anzuprangern, wie sie das am 7. Januar 1917 im Armen Teufel mit dem pazifistischen und antimilitaristischen Gedicht Der Kriegsgott tobt gemacht hatte.

Als Meisy Mongenast-Servais am 13. Juni 1925 in Saint-Nicolas-de-Port bei Nancy starb, würdigte sie die Redaktion des Armen Teufel als eine außergewöhnliche Frau. Mit dieser hochachtbaren, hochgebildeten und äußerst charakterstarken Dame schwindet eine der opferwilligsten und aktivsten Freiheitskämpferinnen aus unserer Mitte.

Im Anschluss an die Ausstellung 2, rue Emmanuel Servais schenkte Charles André Würth, der Enkel von Paul Mongenast und Meisy Mongenast-Servais dem Centre national de littérature 2012 die Hochzeitsbilder mit weiteren Dokumenten. Sie sind heute Bestandteil des Archivfonds L-346.

Germaine Goetzinger

Zum letzten Mal aktualisiert am