Der im Centre national de littérature aufbewahrte Nachlass von Josy Braun (1938-2012) spiegelt die facettenreiche Karriere des Autors, Journalisten und Schauspielers wider. In diesem Archivbestand (CNL L-398), der sich Ende 2017 dadurch beträchtlich vergrößerte, dass Josée Klincker, die Witwe des Schriftstellers, eine Fülle von bedeutsamem Archivgut aus Privatbesitz an das Literaturarchiv übergab, befinden sich auch etliche Dokumente rund um sein langjähriges Schaffen fürs Theater und für verschiedene Kabarettgruppen.
Bei dem hier vorgestellten Bild handelt es sich um ein mehrfarbiges, in dunklen Rahmen gefasstes Plakat mit den Ausmaßen 40 x 50 cm für den Vereinssitz der Amis de la Scène Bettembourg (ASB). Die Truppe wurde auf Initiative von Josy Braun, der schon von Kindesbeinen an vom Theaterspiel fasziniert war, 1963 in Bettemburg, seinem damaligen Wohnort, gegründet und existierte ungefähr zehn Jahre lang. Somit illustriert dieses Bild die Anfänge von Josy Brauns langer Theater- und Kabarett-Laufbahn.
Das Plakat ist handgemalt. In Großbuchstaben liest man die Worte Siège social; unter diesem Schriftzug stehen, dem Namen der Truppe gegenüber, die theatertypischen Symbole Harfe, Theatermaske, Schriftrolle und Noten. Die Unterschrift des Künstlers ist nicht ganz eindeutig zu entziffern. Vermutlich handelt es sich dabei um „H. Eicher“, der in einem Eintrag vom 6. Januar 1964 in dem ebenfalls im Nachlass befindlichen Protokollbuch der ASB als potenzieller Bühnenbildner erwähnt wird.
Der Vereinssitz wechselte einige Male das Lokal. So wird der »Saal Henkes, Peppingerstrase 1« zu Beginn der Vereinstätigkeit als »geeignetste[r] Saal in Bettemburg« (23. August 63) beschrieben und am 31. August 1963 als Siège social bestätigt. Dieser Vereinssitz wird später ins »Lokal Kieffer« verlegt (26. November 1965). Am 23. Mai 1972 schließlich erfolgt der Vermerk, dass »[d]er neue Siège Social bei Nicole L[azzarini]« im Petit Gourmet sei.
Während in den ersten Jahren der Amis de la Scène vor allem Theaterstücke anderer Autoren (z. B. Elis von Josy Ourth) gespielt wurden, fing Josy Braun 1966 an, eigene Stücke für den Verein zu schreiben: D’Kromm an der Heck (1966), D’Rammelscheeder (1967), Requiem fir e Lompekréimer (1969) und Mir si vum Viz (1971). Außerdem führte der Verein regelmäßig Revuen auf, darunter Fastnachtsprogramme.
Das Ensemble entwickelte sich im Laufe der Jahre weiter und passte sich den Zeitumständen an. Aus ihm ging das Kollektiv Huwwelbänk hervor, das zunächst als Teil der ASB funktionierte und nach deren Auflösung 1973 eigenständig weiter funktionierte. In der Broschüre 10 joer amis de la scène beetebuerg spricht Josy Braun in diesem Zusammenhang von einer »der wohl entscheidendsten Umbruchperioden, die das Ensemble seit seiner Gründung« erlebt habe. Im Interview mit Claude Mangen (Radio 100,7, 27. Januar 2008), erklärte er den Entstehungskontext der Huwwelbänk folgendermaßen: »[D]at war déi Zäit vu Mee 68, déi hei zu Lëtzebuerg méi spéit war«. Das Kollektiv Huwwelbänk, das aus den Amis de la Scène hervorgegangen war, wurde seinerseits durch die Gruppierung Bëschzeck ersetzt. Später gründete Josy Braun das Cabaret JB sowie das cabaret j.b. mat äis und wirkte anfangs bei dem noch heute bestehenden Cabarenert mit.
Charlotte Ziger