Objet du mois

Aus der Kannerzeit vum Ierfprönz Jean

Zum Nachlass von Marguerite Bach

 

»Im Herzen des Winters, als Schnee und Eis die waldigen Koppen von Colmar-Berg in blendendes Weiss einhüllten, hielt Erbgrossherzog Jean am 5. Januar 1921 seinen Einzug ins Leben.« So beginnt, stilistisch etwas schwerfällig, die aus Anlass der Hochzeit von Prinzessin Marie-Gabrielle mit Knud von Holstein-Ledreborg (1951) erschienene Erzählung Marie-Gabrielle. Prinzessin von Luxemburg. In dieser wie in anderen Erzählungen von Marguerite Bach (1893-1979), die als Volksschulpädagogin arbeitete und ab 1938 die erste Laienlehrerin an der Oberprimärschule des Pensionats Sainte-Sophie war, werden narrative Elemente wie z. B. Märchenmotive mit volkserzieherischen Ausführungen über die Familien- und Herrschaftsgeschichte der Dynastie Weilburg-Nassau verbunden.

 

Neben Adolph von Luxemburg, Maria Adelheid »an der Wegkreuzung unserer jüngsten Geschichte« und der Großherzogin Charlotte erinnerte sie auch an Prince Jean de Bourbon-Luxembourg, so etwa 1961 anlässlich seines 40. Geburtstages. Bereits die Schilderung von der Nachricht der Geburt zeigt, in welchem Maße sie Arthur Herchens während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominante Geschichtsvorstellung illustrativ umsetzte. Herchen, Geschichtslehrer am hauptstädtischen Athenäum und Mitbegründer der Zeitschrift Hémecht, hatte im Manuel d'histoire nationale, dem offiziellen Geschichtsbuch für den Primär- und Sekundarunterricht, ein Geschichtsbild geprägt, für das u.a. die konstruierte Verbindung des mittelalterlichen Herzogtums mit der Nassau-Dynastie konstitutiv war. Marguerite Bach schreibt diesen Geschichtsmythos weiter, wenn sie ausführt, dass »an den Ufern der Alzette ein Kindlein geboren worden [sei], doch nicht auf dem steilen Felsenriff, wo Siegfried und Melusine in Liebesfreude und Liebesleid vor tausend Jahren ihr altehrwürdiges Kastell erbauten«, sondern im Merschertal »im stillen Winkel von Colmar-Berg«. Um Herchens Geschichtsauffassung zu zementieren, vergleicht sie den Thronfolger mit Johann dem Blinden: »Es ist der erste luxemburgische Prinz seit Johann dem Blinden, der auf luxemburgischem Boden zur Welt kam.«

 

Marguerite Bach verstand sich in ihren Reportagen und Erzählungen, überwiegend in der Revue und im Jahrbuch der Familienzeitschrift, An der Ucht, als Chronistin des großherzoglichen Hofes, die biographische Daten mit Anekdoten schmückte und alltägliche Ereignisse vor allem aus dem Leben des Prinzen als Kleinkind, Schüler und Student zum Besten gab. Für dessen Kindheit bezog sie sich auf ebenso exklusive wie auch vom Hofe genehmigte Zeugenberichte, etwa von Marie Knaff, ab 1904 Erzieherin am Hofe und eine Freundin Marguerite Bachs. Die Anekdoten reichen vom mutigen Verhalten des Thronfolgers beim Zahnarzt bis hin zu abgelehnten Bonbons zur Fastenzeit, die den zukünftigen Landesfürsten als tapfere und katholisch bewusste Person ausweisen.

 

Marguerite Bach, die auch unter dem Pseudonym Tata Marguerite veröffentlichte, richtete ihre Erzählungen an ihre Schülerinnen sowie an »[d’]lef letzeburger Kanner« a »brav Könnercher« und sah darin »Geschichten, dé mat onser klenger Hémecht zesummen henken, dé Geschichten, dé och richteg geschitt sin, - eng Geschicht, -dé én sech net einfach eso aus de Fangeren eraus röselt.« Manche Texte fungieren als Fürstenspiegel, wie z. B. Code et Courtoisie bei onsen Prönzekanner, worin das vorbildliche Verhalten des Prinzen den jungen Menschen Anreiz zur Nachahmung sein soll.

 

Eine Auswahl von 16 Texten, religiös erbaulichen Erzählungen, Märchen und der Erinnerung Well Hien eso fro war! über den Besuch des Prinzen Jean als Kleinkind (1922) und später als Thronfolger (1944) in ihrer Schule, hat Marguerite Bach im bislang unveröffentlichten Band Geschichten aus onser klenger letzeburger Hemecht zusammengestellt. Das Manuskript, ein mit Fotos versehenes Dokument, wird zusammen mit Lebensdokumenten und Zeitungsausschnitten über das Ende des Zweiten Weltkriegs im Nachlass der Autorin L-349 im Literaturarchiv aufbewahrt.

 

Claude D. Conter

 

 

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