Objet du mois

Wenn Text und Musik aufeinandertreffen.

Die Lieder aus dem Pir-Kremer-Bestand

Die Gedichte von Pir Kremer (1919–2000) wurden von mindestens 22 namentlich bekannten Komponisten vertont, darunter Jean-Pierre Kemmer, René Eiffes, Albert Marinov, Josy Meisch, Jean-Paul Frisch, Norbert Hoffmann, Gaston Konrath, Theo Fischer, Tony Schuster, Julien Hoffmann, Claus Krumlovsky, Asca Rampini, Daniel Feis, Edouard Genson, Henri Knoch, Faustino ›Fausti‹ Cima, Mathieu Lamberty, Ali Mathias, Pol Pepin, Jean Roderes, Felix Schuber und Roland Wiesel; die Vertonungen von Jean-Pierre Kemmer machen dabei fast die Hälfte der im Bestand enthaltenen Lieder aus. Somit gehört Pir Kremer eindeutig zu den am meisten vertonten luxemburgischen Autoren.

Die Genese eines musikalischen Stückes kann sich auf unterschiedliche Art und Weise vollziehen. Gerade bei der Entstehung eines Liedes, bei dem – so wie das bei Pir Kremer ausschließlich der Fall war – Text und Musik von verschiedenen Personen stammen, stellt sich die Frage, was am Anfang stand.

Traditionellerweise entsteht zuerst ein Text, zu dem anschließend eine passende Melodie komponiert wird. Auch Pir Kremer trat in den meisten Fällen als Textschaffender an einen Komponisten heran und ließ seine Texte vertonen. Als besonders aufschlussreich erweisen sich hierbei Notizen, die er als Vorbereitung für ein Interview verwendet hat. Im Fokus stand das Weihnachtslied Krëschtowend, dessen finaler Textentwurf auf den 13. Dezember 1987 datiert ist. Auf die Frage nach der Entstehung des Liedes hin notierte Pir Kremer: »Dat Lidd hei, war ’t éischt e Gedicht.« Einige Zeilen später beschreibt er, wie er seinen Freund Jean-Paul Frisch angerufen hat und dieser sogleich von der Idee einer entsprechenden Vertonung angetan war.

Spannend ist die Tatsache, dass Pir Kremer seine Texte offensichtlich mehrfach von unterschiedlichen Personen vertonen ließ. So machte zum Beispiel Julien Hoffmann aus dem Text Loost mer sangen (1977) ein schnelles, vierstimmiges Chorlied im Marschtempo, während Tony Schuster 1984 ein eher langsames, teilweise mehrstimmiges Chorlied im Walzertempo komponierte. Eine dritte Vertonung liegt von Ali Mathias vor, die allerdings nur aus einer Gesangsstimme besteht und undatiert bleibt.

Die Zusammenführung von Text und Melodie konnte allerdings auch anders verlaufen. So kam der Impuls manchmal von außen, wobei der Auftrag meistens darin bestand, einen deutschen Liedtext sinngetreu ins Luxemburgische zu übersetzen. John Belli beauftragte beispielsweise Pir Kremer mit der Übertragung der Lieder So wie ein Roman und Gib mir einen Kuss, wobei er neben der Übersetzungsarbeit noch einen weiteren Wunsch äußerte: »Ech fannen dat Geköss ass e bösselchen Kitschech. Wann’s du bei dösem Text de Sönn méi op Danzen a Muséck machen géngs.« Dies geht aus einem Brief hervor, dessen beiliegende Blätter Aufschluss über Pir Kremers Versuche geben, geschickt mit Silbentrennung und Syntax zu jonglieren.

Dank der Vermittlung von Claude Mangen hat die Familie Kremer den Nachlass von Pir Kremer dem CNL in Mersch überlassen, wo er unter der Bestandsnummer L-406 zu finden ist. Die Lieder bilden den Anfang des insgesamt 65 Archivkisten umfassenden Bestands.

 

Anouk Stephano

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