Objet du mois

Kaufwert und kulturgeschichtlicher Wert

Ein Geldschein aus Belgisch-Kongo
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Die 50-Franken-Note der Zentralbank von Belgisch-Kongo und Ruanda-Urundi aus dem Jahr 1959 stammt aus dem Bestand der Luxom (Signatur CNL L-66). Die Alliance Luxembourg-Outremer, für die das Akronym steht, ging im Jahr 1951 aus einer Spaltung des Cercle Colonial Luxembourgeois hervor. 1973 wiederum absorbierte sie eben diesen Cercle Colonial und ist seither der einzige luxemburgische Kolonialverband. Dessen Archiv gelangte 2004 auf Vermittlung seines Präsidenten Charles Bouquet in den Besitz des CNL. Der Großteil des für die Geschichtsschreibung interessanten Bestandes wurde an das Nationalarchiv weitergeleitet. Im Literaturarchiv verblieb nur ein kleiner Teil mit Dokumenten, die für die Literatur- und Kulturgeschichte des Reisens und des Kolonialismus von Interesse sind. Dazu gehören mehrere Geldscheine, u.a. der hier vorgestellte.

Auf den Kongo verweist auf dem Schein, neben den Textteilen, der gelbe Stern, der seit 1877 die jeweiligen Flaggen des Landes ziert. Ruanda-Urundi gehörte zunächst zum deutschen Kolonialreich, bevor es nach dem Ersten Weltkrieg belgischer Verwaltung unterstellt wurde. In die Staaten Ruanda und Burundi getrennt, wurde es 1962, zwei Jahre nach dem Kongo, in die Unabhängigkeit entlassen.

Kongolesische und belgische Franken hatten den gleichen Wert und waren frei konvertibel. In den Fünfzigerjahren wurden Noten über 5, 10, 20, 50, 100, 500 und 1000 Franken herausgegeben. Einen Eindruck von ihrem Kaufwert vermittelt ein Blick in eine von Charles Bouquet zusammengestellte Dokumentation über die Lebenshaltungskosten in jener Zeit. So z.B. betrug der monatliche Arbeitslohn für Einheimische 400 bis 800 Franken, Angestellte mit Hochschulabschluss verdienten zwischen 1500 und 4000 Franken, während ein weißer Territorialagent auf ca. 8000 Franken kam. Ein kg Reis kostete 3-4, eine Schachtel Zigaretten und ein Liter Palmöl 5 Franken. Für ein Fahrrad musste man zwischen 2500 und 3000 Franken auf den Tisch legen, für einen mittleren Kühlschrank mit Petroleumbetrieb 8000 Franken.

Ebenso bedeutsam wie der monetäre ist aus heutiger Sicht der kulturgeschichtliche Wert der Banknote, denn sie gewährt einen Einblick in das belgische Kolonialdenken der Nachkriegszeit. Der Schein zeigt auf der französischsprachigen Vorderseite das Innere einer modernen Textilfabrik sowie einen afrikanischen Angestellten, der ein Stoffmuster in eine Druckwalze graviert. Auf der niederländischsprachigen Rückseite ist eine kongolesische Dorfszene mit Personen an traditionellen Webstühlen abgebildet. Damit fügt sich der Schein in eine Serie von Banknoten der 1950er Jahre ein, die ‚moderne‘, europäische Techniken und Organisationsformen zu ihren ‚traditionellen‘, afrikanischen Pendants in Kontrast setzen: So stehen auf dem 500-Franken-Schein mechanisch betriebene Schiffe und Kräne im Hafen von Matadi einem körperlich hart arbeitenden Mann in einem Einbaum gegenüber, und auf dem 10-Franken Schein kontrastieren martialisch wirkende Stammestänzer mit in Reih und Glied aufgestellten schwarzen Soldaten bei einer Inspektion durch weiße Offiziere. Es war die Zeit des belgischen Zehnjahresplans für den Kongo, der 1949 verabschiedet wurde und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Kolonie zum Ziel hatte. Durch die kontrastierenden Darstellungen auf den Geldscheinen sollte die angeblich zivilisatorische und fortschrittsorientierte Mission symbolisiert werden, die sich die Metropole in Zentralafrika selber zuschrieb.

Pierre Marson

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