Studierter Agronom, Fremdenlegionär, Graphologe, langjähriger Journalist bei Radio-Luxembourg, einsamer Gast in den Cafés der Unterstadt… Edmond Dune (1914-1988) beeindruckt nicht nur durch eine schillernde Biographie, sondern auch und vor allem durch Umfang, Vielfalt und Qualität seiner Tätigkeit als Lyriker, Dramatiker, Prosaschriftsteller und Übersetzer. Mitte der 1940er Jahre, nach der Publikation eines bereits damals bedeutenden poetischen Werkes, begann er seine Aufmerksamkeit auf das Theater zu richten. Die Hinwendung zu diesem Genre ermöglichte dem Dichter die Erweiterung seines sprachlichen Repertoires, dem ohnehin unbequemen Denker eine pointiertere Kritik der Lebenswelt. Gleichzeitig lässt der Briefwechsel mit einem Vertrauten erkennen, dass Dune, zunehmend unter finanziellem und familiärem Druck stehend, das Theaterschrifttum ebenfalls als zusätzliche Einkommensquelle in Betracht zog: « Une pièce qui marche bien à Paris, peut rapporter selon la salle de 25.000 frs belges à 250.000 frs par mois… » (undatierter Brief an Arthur Praillet). In einem Zeitraum von zwei Jahrzehnten entstanden insgesamt dreizehn Stücke, die einstimmig als Höhepunkt der französischsprachigen Dramatik in Luxemburg gelten.
Das vieraktige Drama Les tigres ist in hohem Maße repräsentativ für die Programmatik des Duneschen Theaters: « la mise de l’homme à nu » und dadurch die Erkenntnis seiner intimen geistigen Beschaffenheit. Es thematisiert ein historisch gesichertes Vorkommnis in der Nachfolge des Pazifikkrieges: nach Berichten der internationalen Presse verweigern einige Soldaten der kaiserlichen japanischen Armee die Kapitulation und betreiben auf der philippinischen Insel Lubang bis in die 1970er Jahre hinein verschiedene Guerilla-Aktivitäten gegen die amerikanische Besatzungsmacht. Bemerkenswert ist nicht nur der Rückgriff des Verfassers auf eine weit jenseits der eigenen geokulturellen Verortung liegende Begebenheit, sondern auch die innerhalb des Textes vielfach getätigte Referenz auf japanische Traditionen. Diese Partikularitäten verband Dune mit dem universellen Anspruch seines dramatischen Werkes und entwarf so ein spannendes und überzeugendes Psychogramm des in existentiellen Grenzsituationen handelnden Individuums. Les Tigres wurde 1966 vom Centre grand-ducal d’art dramatique inszeniert und in einer Vorstellung am Théâtre municipal d‘Esch-sur-Alzette (26.10.1966) sowie in zwei Vorstellungen am Théâtre municipal de Luxembourg (29. und 30.10.1966) aufgeführt. Regie führte Tun Deutsch, der ebenfalls die Hauptrolle übernahm. Als Buchausgabe erschien das Drama 1966 (Centre grand-ducal d’art dramatique) und wiederholt 1983 (Section des arts et des lettres de l’Institut grand-ducal).
Das Manuskript der Tigres ist als Teil einer Schenkung der Familie Dune in den Besitz des Luxemburger Literaturarchivs gelangt. Der undatierte, in einem rotgebundenen Heft mit den Ausmaßen 30 x 20 cm enthaltene Text umfasst 51 Seiten und weist zahlreiche Anmerkungen und Korrekturen auf. Auf die erste Seite sind mehrere Zeitungsausschnitte mit Informationen zu dem Ereignis eingeklebt, auf dem die Handlung des Stückes basiert.
Daniela Lieb