BLOG Edurne Laia Kugeler

Schreiben über Reisen 6/7

Nicole Paulus / Jean Laurent Redondo – Drei Wochen im Lande Ho Chi Minhs (1981)

Im Jahr 1981, nur sechs Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs, reisten Nicole Paulus und Jean Laurent Redondo als Teil einer Reisegruppe in das „Land Ho Chi Minhs“. Der von ihnen geschriebene Reisebericht erschien 1982 bei der Coopérative Ouvrière de Presse et d'Editions in Luxemburg. Die Reise beginnt in der nördlichen Stadt Hanoi wo, neben den zahlreichen sozialistischen Institutionen, auch die Bucht von Halong besucht wird. Anschließend reist die Gruppe weiter in den Süden, erst nach Danag und Hue, und schließlich nach Ho Chi Minh Stadt, das alte Saigon.

Es drängt sich der Vergleich mit dem Reisebericht Jules Leforts auf. Auch er reiste in sozialistisches Land, dem der Westen mit Skepsis, wenn nicht ausdrücklich manifestierter Feindseligkeit gegenüber stand; auch er reiste in einer Gruppe, und auch seine Reise war von der Tourismusagentur des besuchten Landes organisiert. Doch es gibt auch Unterschiede zwischen beiden Berichten, welche im direkten Vergleich besonders interessant sind.

Wie Lefort schreibt das Autorenpaar eine Einleitung zum Bericht, in dem es, im Gegensatz zum jungen Studenten, keine neutrale Position gegenüber dem besuchten Land einzunehmen versucht. Es erklärt, dass es das abschreckende Vietnambild, das in den westlichen Massenmedien verbreitet wird mit diesem Bericht korrigieren wollen.:

„Sollte unser Reisebericht ein wenig dazu beitragen, das Bild in unserem Land über Vietnam zurechtzurücken, dem Leser bewußt zu machen, daß Vietnam neben seinen unbestreitbaren Schattenseiten auch Besseres und Schöneres kennt, so hat er sein Ziel erreicht! Diesen bescheidenen Versuch sind wir Vietnam und seinem Volk schuldig!“ (S.7)

Die sozialistischen Institutionen und Initiativen, auf die Lefort nur am Rande eingeht, stehen in Paulus‘ und Redondos Bericht im Zentrum. Ganze Kapitel sind Gesprächen mit Vertretern der „Union des Femmes Vietnamiennes“, des ernährungswissenschaftlichen Instituts, des Bach Mai Spitals oder einer Bauernkooperative gewidmet. Die Bemühungen dieser und anderer Institutionen werden mit Enthusiasmus beschrieben, was durch die Verwendung von Ausrufezeichen noch unterstrichen wird. So heißt es zum Besuch des „Bundes der Vietnamesischen Jugend“ und des „Kommunistischen Jugendverbandes Ho Chi Minh“:

„Wir beglückwünschen die jungen Genossen in Hanoi zu ihrer harten, erfolgreichen und natürlich auch von vielen Rückschlägen geprägten Arbeit. Sie jedenfalls haben ihre Rolle klar erkannt: Die ältere Generation erkämpfte Vietnams Freiheit und Unabhängigkeit, jetzt ist es die höchste Aufgabe der Jugend, den sozialistischen Aufbau des Landes mit seinen vielen Möglichkeiten und seinen unzählbaren Schwierigkeiten zu gestalten und weiterzuführen!“ (S.31)

Der Krieg und der Wiederaufbau des Landes sind ein wiederkehrendes Thema. Ähnlich wie bei Lefort wird die aktuelle Situation des Landes und seiner Sehenswürdigkeiten durch seine Geschichte erklärt. Paulus und Redondo stellen sich dezidiert auf die Seite des vietnamesischen Wiederstandes zunächst gegen das französische Kolonialregime und dann gegen die Amerikaner. Über Hue schreiben sie:

„Hue war die Stadt der Poesie und der Träume, der Gelehrten und der Dichter. Aber auch Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen dem Volk, das die Freiheit liebte und der reaktionären Monarchie, die den Kolonialisten die Füße ableckte.“ (S.81)

Obwohl das Autorenpaar aus seinen politischen Meinungen keinen Hehl macht, bleibt es als Protagonist eher im Hintergrund. Es werden wenige Anekdoten erzählt, und persönliche Erfahrungen werden von einem Wir-Erzähler geschildert, wobei unklar bleibt, ob sich hinter diesem „Wir“ die gesamte Reisegruppe oder nur das Autorenpaar verbirgt. Einzelne Mitglieder der Reisegruppe werden nicht beschrieben.

Wie Lefort und Hemmer haben auch Paulus und Redondo während ihrer Reise eifrig photographiert. Im Gegensatz zum Reisebericht von Hemmer nahmen die Vietnambesucher die Ablichtungen in die Buchfassung mit auf. Darauf sind vor allem Menschen, seltener Sehenswürdigkeiten oder Landschaften zu sehen. Kinder sind ein besonders beliebtes Motiv. Das einzige Foto, das ein Mitglied der Reisegruppe zeigt Paulus zusammen mit zwei Kindern.

Edurne Kugeler

Primärliteratur
Paulus, Nicole / Redondo, Jean Laurent: Drei Wochen im Lande Ho Chi Minhs. Luxemburg: Coopérative Ouvirère de Presse et d'Éditions 1982

Weiterführende Literatur
Conter, Claude C.: Nicole Paulus. In : Autorenlexikon
http://www.autorenlexikon.lu/…/auth…/224/2243/DEU/index.html

Bilder
Cover der 1982 bei der Coopérative Ouvrière de Presse et d'Editions erschienenen Ausgabe
Vietnamesische Kinder zusammen mit Nicole Paulus

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