Im Jahr 1932 reiste der junge Jules Lefort zum ersten Mal nach Russland. Bei seiner Rückkehr verfasste er einige Texte zu dieser Reise, die „souvenirs et impressions“ werden von Erörterungen zu den sowjetischen Prinzipien ergänzt. Beide Teile dieses Berichtes bleiben bis dato unveröffentlicht.
Die Reise führt Lefort und seine Mitreisenden zunächst nach Leningrad und anschließend nach Moskau. Nach der Besichtigung dieser großen Städte, geht es weiter in die heutige Ukraine, wo sie den neuen Dnjepr-Stausee und insbesondere die Staumauer besuchen und auch in der Stadt Charkow haltmachen. Der Bericht endet mit einer Beschreibung Kiews.
Als Lefort in die Sowjetunion reiste, war er noch als Ingenieurstudent an der TU Berlin eingeschrieben und studierte parallel dazu an der Deutschen Hochschule für Politik. Dies erklärt zum Teil den besonderen Fokus, den er bei seinen Beschreibungen auf die russische Infrastruktur legt, aber auch sein Interesse an der politischen Situation des Landes, den Umständen die zur Revolution führten und den Prinzipien der neuen Herrschaftsform.
Lefort war sich der Tatsache bewusst, dass eine Reise in die Sowjetunion immer auch eine politische Komponente hatte und dass westeuropäische Staaten Misstrauen gegenüber der Regierung in Moskau hegten. In seiner Einleitung beugt er einer eventuellen Kritik an ihm vor:
„J’essaierai de dépeindre et d’esquisser impartialement, clairement, quelques souvenirs et partie de la vie et des institutions soviétiques, telles qu’elles se présentaient en automne 1932. […] A ceux qui me font l’objection. „Avez-vous vu autre chose que ce que l’on a bien voulu vous montrer ? “ – je réponds : “J’ai pu circuler partout, observer dans le calme, librement, toutes les institutions modèles qui provoquent l’admiration, et la misère effrayante qu’on qualifie là-bas comme dernier vestige du tzarisme.” (S.37)
In der eigentlichen Reisebeschreibung werden die besuchten Orte im Kontext ihrer neueren, revolutionären, aber auch früheren, zaristischen Geschichte gesehen. Der Glanz und Pomp der Zarenzeit wurde von den Revolutionären nicht zerstört, im Gegenteil. Lefort und seine Reisegruppe werden in viele Museen und Paläste aus dieser Zeit geführt. Nur ihre Bedeutung habe sich durch die Revolution verändert. Besonders eindringlich ist folgendes Zitat über den Moskauer Roten Platz:
„ Je vis un résumé de l’histoire de Moscou, de l’histoire de „toutes les Russies“ entre le quinzième et le vingtième siècle : une sorte de barbarie militaire au début, la réligion, le bon Basile avec sa crosse d‘évêque rassemblant ses fidèles, Pierre le Grand, qui fit exécuter en masse les Stirliz révoltés, les tsars despotes et le peuple qui se jette à genoux.“ (S.14)
Dem industrieaffinen Lefort entgehen aber nicht die Bemühungen, neue, moderne Infrastrukturen einzuführen. Begeistert beschreibt er den neuen Dnjepr Staudamm als „une oeuvre d’art grandiose“. Gleichzeitig macht er auf die harte Arbeit aufmerksam, die der Bau dieses „Kunstwerks“ erfordert: „C’est là qu’on peut trouver une génération toute fraîche d’ouvriers et d‘ouvrières, de jeunes filles en habits de fatigue se traînant dans de lourdes bottes de cosaques, tachées d’huile et de goudron.“ (S.31)
Wenig jedoch schreibt er über die Gruppe, mit der er reist, und über sich selbst und entsprechend werden kaum Anekdoten erzählt, was sich vielleicht durch die Neutralitätsbekundung in der Einleitung erklären lässt. Eine persönlichere Perspektive zeigen allerdings die während der Reise gemachten Fotos. Auf ihnen sind einige Reisebegleiter und -begleiterinnen zu sehen. Auch die im Text hauptsächlich als Kollektiv vorkommende russische Bevölkerung ist auf den Fotos zu sehen. Hier werden die Menschen in ihrem alltäglichen Umfeld und im Kontakt mit den Besuchern in individuellen Situationen gesehen. Die Fotos erzählen demnach eine eigene Geschichte, die die im Text erzählte ergänzt.
Von späteren Russlandreisen brachte Lefort auch zahlreiche Objekte mit, wie zum Beispiel traditionelle russische Kopfbedeckungen und einen silbernen Samowar, die zurzeit in der Ausstellung im CNL zu sehen sind. Wie die Fotos können auch diese Objekte als Teil der Reisebeschreibung gesehen werden, die dem Text eine weitere Dimension verleihen.
Edurne Kugeler
Primärliteratur
Lefort, Jules: Voyage en Russie. Souvenirs et impressions. Fonds J. Lefort, CNL L-370; I.2 (1)
Weiterführende Literatur
Schmit, Sandra: De la Mouselsbrauerei à Moscou. L’aventure soviétique de Jules Lefort. In: Conter, Claude D. (Hg.): Aufbewahrt!. Mersch: Centre National de Littérature 2017
Ausstellung: Aufbewahrt!
https://cnl.public.lu/fr/index.html
Katalog zur Ausstellung:
https://shop.literaturarchiv.lu/…/169-aufbewahrt-a-conserve…
Bilder
Straßenmarkt in Rostov, aus dem Nachlass: CNL L-370
Beim Besuch eines Kohlenbergwerks, aus dem Nachlass: CNL L-370