In den nächsten zwei Wochen, bevor die Sommerferien für die Meisten zu Ende gehen, wollen wir eine Reihe Luxemburger Autoren vorstellen, die nicht nur weit gereist sind, sondern auch darüber geschrieben haben.
August Kohl – Ein Luxemburger Söldner im Indonesien des 19. Jahrhunderts (2015)
August Kohl meldete sich im Jahr 1859 als Söldner bei der niederländischen Armee und verbrachte sechs Jahre in Indonesien. Fünfzig Jahre nach seiner Rückkehr schrieb er seine Erlebnisse aus dieser Zeit auf. Das Manuskript, welches fünf Generationen lang unveröffentlicht im Besitz der Familie blieb, wurde schließlich im Jahr 2015 von Thomas Kolnberger in einer reich illustrierten kritischen Ausgabe herausgegeben.
Kohl beginnt die Erzählung mit der Beschreibung seines Aufbruchs von Luxemburg aus nach Paris, wo er eine Arbeit als Horndrechsler bei seinem Schwager beginnen sollte. Nachdem er diese Arbeit verloren hat, reist er auf der Suche nach einer neuen Arbeit über Brüssel in die Niederlande, wo er für die Kolonialarmee angeworben wird. Die Reise nach Indonesien und die dort verbrachten Jahre nehmen den größten Teil der restlichen Erzählung ein. Kohl berichtet vom Alltagsleben der Soldaten, von Krankheiten und Gefahren, von militärischen Einsätzen, an denen er teilgenommen hatte, aber auch von positiven wie negativen Begegnungen mit der einheimischen Bevölkerung. Der Bericht endet mit der glücklichen Rückkehr in die Heimat.
Die Ungewissheit, ob er in die Heimat zurückkehren würde strukturiert die Erzählung Kohls als Leitmotiv. Immer wieder fragt er sich „ob ich meine liebe Heimath und Mutter noch einmal wiedersehen würde.“ (S.118) Es wundert also nicht, dass er das Angebot seine Dienstzeit zu verlängern ablehnt, mit den Worten:
„Nein, gab ich zur Antwort, ich hatte ja nun die halbe Welt gesehen, dabei sehr bittere Erfahrungen gemacht und sollte nun die unverzeihliche Dumheit begehen, in dieses gefährliche Land unter dieses raubsüchtiges hinterlistiges Volk zurückkehren, da ich nun durch Gottes Gnade wieder eueropäische Erde unter meinen Füßen fühlte.“ (S.153)
Zwar geht Kohl bei der Beschreibung seiner Reise mehr oder weniger chronologisch vor, die Abenteuer in Indonesien werden von der Hinreise und Rückreise gerahmt, doch werden die einzelnen Ereignisse eher in Form von einzelnen Episoden, „Abenteuern“, erzählt. So berichtet er Kohl, dass er mehrmals erkrankt, und dem Tode nur knapp entkommt. Auch gerät er zweimal in Gefangenschaft, wobei die Flucht beim zweiten Mal sehr gefährlich war und nur knapp gelang.
In einem Artikel Kolnbergers im Anhang des Textes argumentiert der Herausgeber, dass Kohl, der in seinen Memoiren einen möglichst überzeugenden und konsistenten Hergang der Ereignisse konstruierte, sich dabei der Stilmittel der „Heldenreise“ bediente. Die Merkmale der „Heldenreise“ und der durch sie suggerierte Handlungsstrang ist ebenfalls ein Element, das dem Zusammenhang der Erzählung zugrunde liegt.
Seine Erlebnisse beschreibt Kohl in einem relativ nüchternen Stil, der sich durch kurze Sätze und den Gebrauch von vergleichsweise wenigen Metaphern auszeichnet. Auch ist die Erzählung, im Gegensatz zu anderen Reiseberichten, durchgehend in der Vergangenheitsform geschrieben. Die Erzählung ist hauptsächlich auf Handlung konzentriert. Trotzdem interessiert Kohl sich für die fremde Landschaft und die in ihr lebenden Tiere. Bei diesen Naturbeschreibungen wird das Gesehene immer mit dem von Zuhause bekannten verglichen, wie zum Beispiel bei der Beschreibung des Kalong-Flughundes, der die Größe einer Katze hat:
„Das allersonderbarste Thier, was ich dort sah, das war der fliegende Hund, mit seinen ekelhaften großen Fledermäusen Flügelen, in der Größe einer Katze, seine Hauthaare sind kurz und grau, seine Ohren sind, als wenn man sie abgeschnitten hätte, sein Schwanz ist kurzstutzig.“ (S.66)
Bei Beschreibungen von Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung wird deutlich, wie fremd beide Parteien einander sind. So, zum Beispiel, beschreibt Kohl seine Begegnung mit einigen Dorfbewohnern, kurz nach seiner Ankunft:
„Es befand sich weiter Niemand im Dorf, wie einige alte Männer und Frauen und eine Menge ganz nackte Kinder, die Kinder begafften mich und betasteten mich, wie [ein] Wunderthier, sie hatten wahrscheinlich noch nie einen Europäer gesehen.“ (S.60)
Durch den längeren Aufenthalt von sechs Jahren hat Kohl die Möglichkeit, die Landessprache zu erlernen, was ihm die Kommunikation und Interaktion mit der lokalen Bevölkerung erleichtert. Er schreibt:
„Mein nächster Schlafkamerad war ein Belgier mit Namen Leuck van Zint. Er lernte mich in der kurze Zeit von vier Wochen die malayische Sprache geläufig sprechen, was mir von großem Nutzen war, durch welche ich späterhin mir sogar das Leben rettete“ (S.64)
Diese verwendet er im Bericht, womit er einerseits Indonesiens exotische Seite konkret ins Bewusstsein seiner Leser bringt, und andererseits die Authentizität des Berichts unterstreichen will.
Interessant ist die Perspektive, aus der Kohls Reisebericht geschrieben ist. Als Soldat im Dienste einer Kolonialmacht, kann er nicht einem Touristen gleichgesetzt werden, der sich das Land, in das er gereist ist, aus Interesse einmal anschauen will. Kohl beschreibt die negativen Seiten des Landes. So erzählt er von dem der Gesundheit abträglichen Klima oder der lokalen Bevölkerung, der er in den meisten Fällen mit Skepsis, aber auch mit ausdrücklicher Feindseligkeit begegnet. Auch seine Beteiligung an den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Teilen der lokalen Bevölkerung und der niederländischen Kolonialarmee passen zu einem Bericht, der vor den Gefahren, die außerhalb Europas lauern, warnen will.
Edurne Kugeler
Primärliteratur:
Kolnberger, Thomas (Hg.): August Kohl. Ein luxemburgischer Söldner im Indonesien des 19. Jahrhunderts. Mersch: Centre National de Littérature 2015
https://shop.literaturarchiv.lu/…/153-ein-luxemburger-soldn…
Weiterführende Literatur
Schmitz, Jeff: August Kohl. In: Luxemburger Autorenlexikon
http://www.autorenlexikon.lu/…/auth…/579/5796/DEU/index.html
Bilder
Abbildung eines Flughundes aus Meyers Großes Konversationslexikon 1905-1909
Seite aus Kohls Manuskript, Inhaltsangabe. CNL A U-131