An der Mauer, die den Park des Merscher Centre national de littérature zum Parkplatz hin abschließt, befindet sich rechts neben der Pforte ein Rosenstock mit einer Gedenkplatte ‒ ein Geschenk der Lëtzebuerger Rousefrënn ASBL an das Literaturarchiv. Vor zehn Jahren, am 23. April 2014, wurde diese Gedenkstelle zu Ehren des Dichters Nik Welter (1871-1951) eingeweiht.
Bei der Rose handelt es sich um eine über hundert Jahre alte Züchtung der Limpertsberger Gärtnerei Soupert & Notting. Ein damaliger Prospekt der Gärtnerei beschreibt die neue Art mit dem Namen ›Dr Nicolas Welter‹ als gut gefüllte Teehybride von aufrechter Haltung, mit langer, zugespitzter Knospe, »reichblühend bis in den Herbst«. Ihre Farbe ist ein »zartes, reines Lachsrosa«. Die Rose sei ab November 1912 zum Stückpreis von 25 Franken erhältlich.
Zu dieser Zeit war Nik Welter auf der öffentlichen Bühne in Luxemburg sehr aktiv. Seit der umstrittenen Gründung des ersten Mädchengymnasiums in Luxemburg 1909 unterrichtete er, zunächst unentgeltlich und neben seiner Anstellung als Deutschlehrer im Athenäum, auch hier. Zudem trat der Schriftsteller mit seinen Werken für die Rechte der Arbeiter und Frauen ein (u.a. Die Schmiede, 1903, und Lene Frank, 1906) und arbeitete seit 1912 für das neu geschaffene Schulfach ›Luxemburgisch‹ an einem Lehrbuch, welches 1914 unter dem Titel Das Luxemburgische und sein Schrifttum herauskam. Auch international fand der Autor damals Anerkennung, wie die Aufführung seines historischen Theaterstücks Mansfeld am Hoftheater in Dessau 1912 zeigt.
1909 beschäftigte sich Welter in seiner Sammlung Staub und Gluten erstmals mit dem Thema Rosen. Das Liebesgedicht Rosenmär mit dem Kehrreim »Rosen hats geschneit, in der Nacht« wurde mehrmals vertont, u. a. von Lou Koster, Helen Buchholtz und Jos Kinzé. Letztere Fassung wurde bei der Einweihung der Gedenkplatte 2014 von Nik Welters Urenkelin Christine Leick vorgetragen.
Doch zurück zum Herbst 1912 und der damals neuen Rosenzüchtung. Als Dank für die Ehrung widmete Welter den Brüdern Alphonse und Constant Soupert die Ode Rosendichter. Das Gedicht, datiert auf den 27. Oktober 1912, vergleicht die Kunst der Rosenzucht mit dem Schaffen des Dichters. Die Brüder wandeln auf der Erde »auf bunter Rosenspur, mit Schöpfermachtgebärde bereichernd die Natur«. Sie »vermählen« die Rosen »nach eignem Zauberbrauch« und züchten so neue Arten. Wie der Dichter sich in seinen Werken verewigt, so leben die Rosenzüchter »in Duft und Farben fort«.
Das Wissen um die ›Rose Dr. Nicolas Welter‹ ging jedoch über die Jahre verloren, bis der Historiker Marc Schoellen Anfang der 2000er Jahre in einem alten Katalog der alten Limpertsberger Rosenzüchterei Évrard Ketten auf den Namen aufmerksam wurde und mit der Enkelin des Dichters, Antoinette Welter, darüber sprach. Um die gleiche Zeit stießen Annette Block und Claude Vion, die Gründer des Jardin du Titzebierg, auf der Suche nach alten luxemburgischen Rosenarten in einem Rosarium in Sangerhausen in Sachsen-Anhalt auf die Blume, deren Vermehrung sich jedoch zunächst als schwierig erwies. Im Artikel La Rose Dr Nicolas Welter et son parrain (CNL, Dossier suspendu Nik Welter) schildert Antoinette Welter die spannende Wiederentdeckung der Rose, die 2014 einen Platz im Park des Literaturarchivs erhielt. Das Gedicht Rosendichter ist auf der Gedenkplatte eingraviert und die Besucher des Literaturarchivs können es dort, bei einem Rundgang durch den kleinen Park, der noch eine Reihe weiterer literarischer und botanischer Entdeckungen bereithält, nachlesen.
Sandra Schmit
Illustration:
›Rose Dr. Nicolas Welter‹ mit Gedenkplatte an den Dichter im Park des CNL. Fotos: Antoinette Welter, Sommer 2014. Fotomontage: Sandra Schmit.