Wer darf sich Künstler nennen?

Zum Bestand Onofhängeg Artiste Gewerkschaft Lëtzebuerg (OAGL)

Viele professionelle Künstler aus den unterschiedlichsten Sparten sind auf der Suche nach einer sozialen und rechtlichen Absicherung ihrer Existenz. Am 22. November 1991 schlossen sich Kunstschaffende aus den Gebieten Bildende Kunst, Musik, Literatur und Journalismus, Theater, Radio, Film und Fernsehen zusammen und gründeten die unabhängige Gewerkschaft für luxemburgische Künstler Onofhängeg Artiste Gewerkschaft Lëtzebuerg (OAGL). Die Mitglieder hofften, mit einer einheitlichen Stimme zu sprechen und dadurch mehr Gewicht bei ihren kulturpolitischen Forderungen gegenüber Ministerien und Organisatoren zu haben.

Das Organigramm der OAGL umfasste einen Kongress, ein Komitee und eine Kontrollkommission. Im jährlich stattfindenden Kongress war die Zahl der Delegierten prozentual zur Mitgliederzahl festgelegt, wobei mindestens acht Vertreter pro Sparte vorgesehen waren. Die Leitung des viermal jährlich tagenden Komitees setzt sich aus einem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten, einem Generalsekretär und einem Kassierer zusammen. Conny Scheel war bis Mai 1995 Präsident, bevor ihm Lino Gomes folgte. Jeder Kulturbereich bestimmte einen Vertreter für zwei Jahre. Die Mitglieder der Kontrollkommission überwachten das Einhalten der Statuten; jede Sparte war paritätisch durch einen Delegierten vertreten.

Ziel der OAGL war die Ausarbeitung eines Statuts für professionelle Künstler in Luxemburg. Im Rahmen dieser Bestrebungen fanden zahlreiche Unterredungen mit Politikern und Gemeindevertretern, Kulturinstitutionen und Künstlervereinigungen über die Kunstförderung statt. Als Grundlage dafür diente die Umfrage 33 Fragen, Forderungen und Vorschläge, die von der OAGL im März 1992 an ihre Mitglieder verteilt wurde, um ein regionales und nationales Konzept für die Kulturpolitik sowie Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten. Die ausgefüllten Antwortbögen sind im Bestand enthalten. In seinem Brief an die Presse vom 31.12.1992 schrieb Conny Scheel: «Die OAGL kann nicht alles ›verändern‹, aber so manches ›bewegen‹». Der erste Schritt in diese Richtung stellte das «Projet de Loi sur les aides pour artistes professionnels indépendants » (N°3926, vom 19.04.1994) dar, für das die OAGL Lobbyarbeit leistete. Der Kunstberuf wurde durch dieses Gesetz nicht mehr als Freizeitbeschäftigung angesehen, und verschiedene finanzielle Hilfen für freischaffende Künstler wurden gesetzlich festgelegt. Bis heute wurde dieses Gesetz mehrmals an die aktuelle Lage angepasst.

Der Bestand der OAGL dokumentiert zudem die vielfältigen Aktivitäten: 1992 erschien die erste Info-Zeitung der Gewerkschaft unter dem Titel Artist, die allen Mitgliedern für Beiträge und Nachrichten zu künstlerischen Aktivitäten offenstand. Rol Gelhausen und Fern Rollinger waren die beiden ersten Redakteure dieses Meinungs- und Mitteilungsblattes. Zwischen dem 15.07.1993 und 31.07.1993 organisierte die OAGL ihre erste Ausstellung, Konscht as do! Mir wëllen nët bleiwe waat mir sin! im Schloss in Wiltz. Die OAGL begrüßte die Teilnahme von 21 Künstlern und die große Anzahl an Besuchern.

Im Bestand sind außer Statuten, Zeitungsausgaben, Sitzungsprotokollen, Vorarbeiten zum Gesetz und Dokumenten die Gewerkschaft betreffend auch aufschlussreiche Briefe von und an Organisatoren und Kulturinstitutionen sowie Ministerien und Parteien enthalten. Große Hoffnungen setzen die Künstler in das Kulturjahr 1995. Auch ein Delegierter der OAGL war Beratungsmitglied des Organisationskomitees. Trotzdem überwog bei den Mitgliedern die Enttäuschung über das Ergebnis, und eine Ursache für die geringe Durchschlagskraft der OAGL merkte Haidy Jacoby selbstkritisch im Artist N° 7, (Februar 96) an: «Gewerkschaften, besonders auch Künstlervereinigungen sind nur lebensfähig und durchschlagskräftig durch die Solidarität ihrer Mitglieder». Da die OAGL nach nur wenigen Jahren auf der Stelle zu treten drohte, schlossen sich die Verantwortlichen 1998 dem Onofhängege Gewerkschaftsbond Lëtzebuerg (OGB-L) an.

 

Der Bestand wurde 2017 von Roland Gelhausen ins Literaturarchiv überführt.

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