Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 setzte in Deutschland eine beispiellose Fluchtbewegung ein. Viele Intellektuelle und Künstler, darunter auch Schriftsteller und Theaterleute, emigrierten und einige verschlug es nach Luxemburg, so auch Walter Jacob (1905-1977) und Walter Eberhard (1892-1978). Jacob kam im Oktober 1934 nach Stationen in Amsterdam und Paris nach Luxemburg, wo er für Radio Luxemburg arbeitete und Oberregisseur der aus professionellen, überwiegend deutschen und österreichischen Schauspielern bestehenden Exiltheatertruppe Die Komödie wurde, die kurz zuvor von Eberhard in Luxemburg begründet worden war und unter dessen Leitung stand. Das Ensemble, das von Herbst 1934 bis Februar 1936 an vielen Orten im Großherzogtum auftrat, sollte zum Überleben der Exilanten beitragen – ein Projekt, das letztlich an internen Differenzen und finanziellen Nöten scheiterte. Bei den von Eberhard und Jacob initiierten ›Echternacher Festspielen‹ fungierte letzterer im Sommer 1935 als künstlerischer Leiter. Auf der Freilichtbühne im Hofe der Abtei führte Die Komödie am 7. Juli 1935 Hugo von Hofmannsthals Jedermann auf. Pressestimmen bedachten die Vorstellung mit viel Lob.
Der Luxemburger Journalist Evy Friedrich (1910-1989), der für linksliberale Zeitungen arbeitete, hatte frühzeitig Kontakte zu deutschen Emigranten geknüpft und unterstützte sie ganz konkret in ihrem antifaschistischen Kampf, indem er etwa ihre Werke verlegte. In Friedrichs Verlag Malpaartes erschien z. B. der Lyrikband Kinnhaken (1934) seines Freundes Karl Schnog mit Kampfgedichten gegen den Nationalsozialismus. Schnog besprach auch die Echternacher Jedermann-Aufführung; seine gereimte Kritik, die durchweg positiv ausfiel, erschien in Franz Cléments Wochenschrift Die Tribüne. Auch mit Walter Jacob kooperierte Evy Friedrich eng, sodass es nicht verwundert, dass er ebenfalls am Projekt der Exiltheatertruppe mitwirkte. Er, der eine Vorliebe für Film und Theater entwickelt hatte, dokumentierte die von Jacob inszenierte Jedermann-Aufführung einschließlich der Proben sowohl in einem Kurzfilm als auch in einer Bildreportage für die Zeitschrift A-Z und ließ sich aus diesem Anlass sein Privatexemplar von Hofmannsthals Schauspiel von mehreren Beteiligten signieren.
Dieses Privatexemplar Evy Friedrichs von Hofmannsthals Jedermann in einer Ausgabe des S. Fischer-Verlages aus dem Jahre 1929 gelangte durch die Schenkung einer Privatperson in den Besitz des CNL und wurde in den Nachlass Evy Friedrich CNL L-166 integriert. Auf dem Vorblatt haben nebst Walter Jacob und Walter Eberhard u. a. die Schauspieler Georg Braun, Elisabeth Eschbaum, Olga Irén Fröhlich, Ernst Hartmann, Else Pircher und Walter Sofka unterschrieben.
Jeff Schmitz
Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes. Erneuert von Hugo von Hofmannsthal. Berlin: S. Fischer 1929. Fonds Evy Friedrich CNL L-166; IV.2-1
Exponat 2: Doppelseitige Bildreportage von Evy Friedrich zur Aufführung von Hofmannsthals Jedermann durch das Exilensemble Die Komödie bei den Echternacher Festspielen. In: A-Z, 28.7.1935, S. 16-17.