In Der Duschenkrieg (2010) erzählt Susanne Jaspers von einer in Peking beginnenden transsibirischen Reise, die die Ich-Erzählerin zusammen mit ihrem Mann Richard und einer Reisegruppe unternimmt. Nachdem die Gruppe zwei Tage in Peking verbracht hat, reisen sie über die Mongolei nach Sibirien, um schließlich nach Moskau zu gelangen.
Der Bericht ist in einem ironisch-satirischen Ton geschrieben. Die Mitreisenden, mit denen sich die Protagonisten während der Zugfahrt eine Dusche teilen müssen, und die gemeinsamen Erlebnisse stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Sehenswürdigkeiten nehmen eher den zweiten Rang ein, und sind oft nur Kulissen für zwischenmenschliche Dramen, die sich innerhalb der Reisegruppe ereignen.
In der Figur Richards ist unschwer der selbe Reisende zu erkennen, der in Die heiligen Ratten von Deshnok (2008) seine eigenen Erlebnisse einer Reise durch das indische Rajastan darstellt: Georges Hausemer, Susanne Jaspers Ehemann. Im Reisebericht beschreibt er, wie er während der Reise mit Hilfe seines Aufnahmegerätes oder seines Fotoapparates versucht, das Erlebte einzufangen. Richard, in Jaspers Erzählung, ist ebenfalls immer mit Fotoapparat und Aufnahmegerät unterwegs, was der Erzählerin allerdings eher peinlich ist. Interessant ist, dass sie öfter Anspielungen auf eine Rajastanreise macht, und Anekdoten von dieser Reise erzählt, die zuvor in in Hausemers Bericht vorkamen.
Beide Berichte sind autofiktional. Einerseits nennen beide Erzähler sich selbst nicht beim Namen, weshalb keine Identität zwischen Autor oder Autorin und den Erzählpersonen entstehen kann, ein wesentliches Merkmal des „autobiographischen Paktes“ nach Pillippe Lejeune. Außerdem geben sie der jeweiligen Begleitperson einen fiktionalen Namen. Die intertextuellen Bezüge, die beide Texte miteinander verbinden, fungieren allerdings als Hinweise auf die Identität der Begleitpersonen und streichen gleichzeitig die autobiographische Komponente der Texte hervor.
Jaspers Reisebericht hat demnach eine weitere Ebene als die einer verrückten Zugreise. Er fungiert sozusagen als Komplement zu dem Hausemers, mit dem sie sich, wenn auch indirekt, kritisch auseinandersetzt. In Die heiligen Ratten von Deshnok konzentriert Hausemer sich hauptsächlich darauf, den Lesern ein Bild von Indien zu malen. In Gesprächen mit der lokalen Bevölkerung, besonders mit den Führern die ihn und L., wie er seine Begleiterin nennt, in den besuchten Städten begleiten, sammelt er Informationen über das Land und seine Leute. Wie Ian de Toffoli in einer Rezension schreibt, hat das Buch auch einen etwas didaktischen Anspruch. Seine Begleiterin wird dabei eher zu einer Randfigur.
Im Duschenkrieg zeigt Jaspers dann aus ihrer eigenen Perspektive, was es bedeutet, diese Begleiterin zu sein.
„Obwohl er mir genaue Instruktionen gibt, wie ich mich zu positionieren habe, werde ich später auf keinem der Bilder zu sehen sein. Denn Richard sucht als Motiv stets das Authentische. So tut er eben, als fotographiere er mich, während er in Wirklichkeit die Einheimischen neben mir ablichtet. Doch das macht mir nichts, das bin ich gewohnt. Es gibt auch kein Bild von mir vor dem Taj Mahal. Dabei waren wir dort auf unserer Hochzeitsreise.“ (S.12)
Natürlich kann man beide Reiseberichte unabhängig voneinander lesen. Durch den Vergleich gewinnen sie allerdings eine weitere Dimension. Durch die Selbstreferenzialität Hausemers und die Intertextualität Jaspers wird das Genre des Reiseberichts von beiden, auf ihre jeweils eigene Art, sowohl bestätigt wie auch dekonstruiert. Mitgebrachte Vorurteile vor den fremden Kulturen werden hinterfragt, aber auch zum Teil bestätigt und der „Blick von außen“ wird thematisiert.
Edurne Kugeler
Primärliteratur
Hausemer, Georges: Die heiligen Ratten von Deshnok. Eine indische Reise. Luxemburg: Saint Paul 2008
Jaspers, Susanne: Der Duschenkrieg. Eine transsibirische Reise. Luxemburg: Editions Guy Binsfeld 2011
Weiterführende Literatur
De Toffoli, Ian: A passage to India. In: Letzebuerger Land 29.01.2009. http://www.land.lu/page/article/337/1337/FRE/index.html
Lejeune, Philippe: Le pacte autobiographique. Paris: Seuil 1996
Schmit, Sandra: Georges Hausemer. In: Autorenlexikon
http://www.autorenlexikon.lu/…/auth…/158/1583/DEU/index.html
Seil, Pascal: Susanne Jaspers. In: Autorenlexikon
http://www.autorenlexikon.lu/…/author/948/948/DEU/index.html
Bilder
Taj Mahal, Foto Georges Hausemer
Jaspers in Rajastan, Foto Georges Hausemer
Jaspers und Hausemer auf der Chinesischen Mauer, Foto Georges Hausemer