Victor Peninski (1891-1978): »DʼSonn geet op am Esleck«. Etude pour piano, op. 29

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Der russischstämmige Komponist Victor Peninski schreibt sich mit der Klavierstudie D'Sonn geet op am Esleck in eine reiche diskursive Tradition ein, die das Ösling zu einem der überragenden Luxemburger Kulturtopoi avancieren lässt; indes bleibt er darin aufgrund der schieren Alterität seiner Biographie ein augenfälliger Fremdkörper.

Peninski wird in der westrussischen Metropole Kasan geboren und macht als junger Kadett der Militärschule die Bekanntschaft des bereits damals hochberühmten Sergei Rachmaninow. 1919, auf dem Höhepunkt des russischen Bürgerkriegs, verlässt er, allem Anschein nach ein Mitglied der konterrevolutionären Weißen Garde, seine Heimat; nach einer zweijährigen Irrfahrt durch die Türkei, Griechenland und den Balkan sowie Aufenthalten in Wien und Paris lässt er sich 1921 in Luxemburg nieder.

1936 wird Peninski in Thionville wegen Spionageverdachts festgenommen und vom Militärgericht Metz dafür, Pläne von Befestigungsanlagen der Maginot-Linie an Deutschland geliefert zu haben, zu einer 15jährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Nach Errichtung des Vichy-Regimes wird er jedoch aus der Haft entlassen; er wird jegliche Spionageaktivitäten zugunsten Deutschlands vehement bestreiten und stattdessen immer betonen, für einen Doppelagenten gehalten worden zu sein.

Zurück im Großherzogtum ist Peninski zunächst als Anzeigenvertreter beim Luxemburger Wort beschäftigt, wo er offenbar eine prodeutsche Haltung beweist und Anzeigen unter Androhung von Repressalien wirbt. Anfang 1943 lässt er sich zum „Ostarbeiterbetreuer“ im Dienste der nationalsozialistischen Kriegswirtschaftsadministration rekrutieren. Entgegen rassenideologischen Vorgaben kann der akute Mangel an Arbeitskräften in allen Produktionssektoren spätestens seit Herbst 1941 nur durch den Einsatz von Kriegs- und Zivilgefangenen aus den militärisch besetzten oder annektierten Gebieten, vor allem Osteuropas, kompensiert werden. Im Herbst 1944 befinden sich 7,7 Mio. ausländische Arbeitskräfte im Reich, darunter über 2 Mio. Sowjetbürger, die im Sinne der Formel „Vernichtung durch Arbeit“ systematisch ausgebeutet werden. Nach Beendigung einer Schulung in Berlin ist Peninski zuerst im Sudetenland, danach in Köln, ab März 1944 schließlich in Koblenz als „Betreuer“ russischer Zwangsarbeiter tätig, ohne dass seine Aufgaben sich jedoch exakt eruieren lassen. Kurz vor der Befreiung des Großherzogtums flüchtet er in Begleitung seiner luxemburgischen Ehefrau nach Deutschland, von wo aus er Ende 1945 repatriiert und in Haft genommen wird. Man legt ihm zur Last, „in Kriegszeit freiwillig [...] der Politik und den Zielen des Feindes gedient zu haben“ (ANLux APP-P-61). 1946 wird er zu zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt; auch wird ihm die Luxemburger Staatsangehörigkeit aberkannt, die er bereits 1935 angenommen hatte.

Nach der Entlassung lässt sich die Biographie Peninskis nur noch fragmentarisch rekonstruieren: 1962 wird ihm die Luxemburger Nationalität per Gnadenerlass restituiert; Aussagen von Zeitzeugen zufolge erhält er gelegentlich von der ARBED Aufträge zu Übersetzungsarbeiten aus dem Russischen. Im Rahmen dieser Betätigung lernt er die polnische Tänzerin Stenia Zapalowska (*1921) kennen. Das beiliegend ausgestellte, mit einer Widmung an die Künstlerin versehene Dokument ist Teil eines Konvoluts von drei Kompositionen, die Zapalowskas Tochter, die Tanzpädagogin Jaga Antony (*1944) dem Centre national de littérature überlassen hat. Ob die Werke Peninskis jemals öffentlich aufgeführt oder lediglich im Rahmen der Hausmusik gespielt wurden, ist bislang unbekannt.

Daniela Lieb

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